Berliner Testament – ein Klassiker mit Stolpersteinen
Wenn Eheleute ein Testament errichten, greifen sie meist zum Berliner Testament. Das ist jedoch komplexer und weitreichender als der Laie denkt. Ein Blick hinter die erbrechtlichen Kulissen.
Gemeinschaftliche Testamente – nur für Ehegatten
Wer sich nicht auf die gesetzliche Erbfolge und die damit verbundenen Probleme verlassen will, regelt seine Nachfolge per letztwilliger Verfügung. Dafür stehen verschiedene Formen des Testaments oder auch der Erbvertrag zur Verfügung.
Für verheiratete Paare gibt es in Deutschland die Möglichkeit, ein gemeinschaftliches Ehegattentestament zu errichten. Damit können sie ihre Erbeinsetzungen verknüpfen. Unverheiratete Paare müssen dagegen auf den Erbvertrag ausweichen, wenn sie ihre Erbfolge gemeinsam regeln wollen.
Gegenseitige Einsetzung zum Alleinerben mit den Kindern als Schlusserben
Ehegatten nutzen in der Regel die Möglichkeit zum gemeinsamen letzten Willen und wählen das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sie sich gegenseitig als Alleinerben ein – der „Erstversterbende“ also den „Längstlebenden“ und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben beim Versterben des Längstlebenden.
Neben der Erbeinsetzung kann das Berliner Testament noch weitere Bestimmungen über Vermächtnisse, Auflagen, Testamentsvollstreckung usw. enthalten.
Berliner Testament heißt erst mal Enterbung der Kinder – mit allen Konsequenzen
In der Konstellation eines Ehepaars mit Kindern stellt das Berliner Testament für den ersten Erbfall zunächst eine Enterbung der Kinder dar. Da diesen jedoch als besonders nahestehende gesetzliche Erben ein Pflichtteil zusteht, besteht die Gefahr, dass sie Pflichtteilsansprüche geltend machen.
Das versuchen viele durch sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln im Testament zu verhindern, in der Art, dass die den Pflichtteil einfordernden Kinder dann ihre Schlusserbenstellung verlieren. Diese Klauseln sind jedoch mit Vorsicht zu genießen und sollten möglicherweise dem überlebenden Ehegatten zumindest einen Entscheidungsspielraum gewähren.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet – die Bindungswirkung beim Ehegattentestament
Vielen Laien – und leider auch für manchen im Erbrecht nicht so bewanderten Rechtsanwalt – ist die Reichweite der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments nur unzureichend bekannt. Die „wechselbezüglichen“ Verfügungen im Ehegattentestament können nämlich zunächst nur unter Berücksichtigung strenger Formalien und nach dem Tod des Erstversterbenden gar nicht mehr widerrufen werden.
Spätere anderslautende Verfügungen sind unwirksam. Das betrifft „im Zweifel“ die gegenseitige Einsetzung zum Alleinerben, kann aber auch für andere Anordnungen einschlägig sein. Testierende sollten hier nichts dem Zufall überlassen, die Bindungswirkung ausdrücklich regeln und sich über die Tragweite im Klaren sein.
Steuerfalle Berliner Testament
Die Enterbung der Kinder im ersten Erbfall kann das Berliner Testament zu einer Erbschaftsteuerfalle machen. Bei größeren Vermögen kommt es auf die persönlichen Freibeträge bei der Erbschaftsteuer an. Und die der Kinder bleiben bei der Enterbung ungenutzt. Und auch im zweiten Erbfall droht noch mal der Anfall von Steuern, wenn die Freibeträge der Kinder nicht für das gesamte Vermögen ausreichen.
Das Problem lässt sich durch bestimmte Vermächtnisse zugunsten der Kinder im Ersten Erbfall in den Griff bekommen. Komplexe Gestaltungen sorgen sogar dafür, dass die wirtschaftlichen Interessen des alleinerbenden Ehegatten dennoch gewahrt werden.
Ehegattentestamente bei Wohnsitz im Ausland möglicherweise ungültig
Seit 2015 gilt die EU-Erbrechtsverordnung. Diese hat zwar nicht für ein einheitliches Erbrecht in Europa gesorgt, regelt aber nun für alle teilnehmenden Länder, welches nationale Erbrecht bei einem Erbfall mit Auslandsbezug anwendbar ist.
Seitdem ist das ausschlaggebende Kriterium für das Erbrecht der gewöhnliche Aufenthalt. Ein in Italien lebender Deutscher würde daher zum Beispiel nach italienischem Erbrecht beerbt. Sein in Deutschland errichtetes Berliner Testament wäre dann unwirksam, weil das italienische Erbrecht keine gemeinschaftlichen Ehegattentestamente anerkennt.
Auslandsdeutsche mit Berliner Testament sollten sich daher von einem Fachanwalt für Erbrecht oder einem Notar beraten lassen, ob eine Anpassung der letztwilligen Verfügung geboten ist – zum Beispiel durch eine Rechtswahl zugunsten deutschen Erbrechts.